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Kanzleikultur einrichten

Unternehmenskultur entsteht und erweitert sich aus den Folgen aller Entscheidungen, die im Anwaltsunternehmen jeden Tag getroffen werden – durch jeden.
Ob diese Folgen absichtlich oder unabsichtlich herbeigeführt werden, spielt für deren Effekte auf Mitarbeiter keine Rolle.
Arbeitsklima, Fluktuation und Krankenstand sind ungebremste, seismographische Reaktionen auf alles, was „von oben“ kommt.

Textauszug aus: „Chefsache Anwaltscoaching“

© Johanna Busmann

Keine Kanzleikultur gibt es nicht

Scheuklappen und Atemmasken

Kommunikation gibt es nicht („Ich kommuniziere Schweigen“), keine Entscheidung gibt es nicht („Ich entscheide die Nicht-Entscheidung“), und keine Kanzleikultur gibt es nicht („Mein Verhalten zeigt automatisch meine Kultur“).
Führungskräfte, die täglich mit Scheuklappen und Atemmasken wortlos nebeneinander her vagabundieren, etablieren eine Unternehmenskultur mit dem Aufruf: „Richtet Euch nach uns. Tragt Scheuklappen und Atemmasken und sprecht bloß nicht miteinander.“

Die Arbeitsplatzvernichtende Kultur der Angst

Was Vorgesetzte vorleben, wird also automatisch zur Kultur der Kanzlei. Drei Beispiele für die Fluktuationsfördernde Kultur der Angst:

  • Nur einmal hatte der angestellte Anwalt erlebt, dass er von seinen Vorgesetzten keine Hilfe erhielt bei der strategischen Vorgehensweise in einem Mandat. Beim zweiten Mal fragte er nicht mehr. Er wusste ja: Durchwurschteln wird hier bevorzugt.
  • Die neue Arbeitsrechtlerin wurde ihren Kollegen nicht am ersten Arbeitstag vorgestellt. Erste Hilfe erhielt sie von einer Assistentin, zweite Hilfe gar nicht. Eine dumpfe Stille strömte aus allen Büros, als sie nach jemandem suchte, der ihr bei ihrem ersten Fall helfen wollte.
  • Die Assistentin verzweifelte beim vierten unwirschen Anruf eines Mandanten an demselben Tag. Er war entgegen mehrfacher Versprechen immer noch nicht zurückgerufen worden. Ihr Chef blaffte sie an: „Sagen Sie irgendwas! Dafür bezahle ich Sie doch!“

Der Wirkung ist es egal, wodurch sie entsteht

Unternehmenskultur entsteht und erweitert sich aus den Folgen aller Entscheidungen, die im Anwaltsunternehmen jeden Tag getroffen werden – durch jeden.
Ob diese Folgen absichtlich oder unabsichtlich, geschickt oder ungeschickt oder durch Krethi statt durch Plethi herbeigeführt werden, spielt für deren Effekte auf Mitarbeiter keine Rolle.

Arbeitsklima, Fluktuation und Krankenstand sind ungebremste, seismographische Reaktionen auf alles, was „von oben“ kommt.
Dasselbe trifft auch auf die Führung einzelner Dezernate derselben Kanzlei zu: Die lockere, angstfreie und selbständige Problemlösung innerhalb eines Dezernats ist ebenso eine unmittelbare Folge von Kanzleikultur wie der „Zickenkrieg“ unter den Mitarbeitern im Dezernat nebenan.

Alleinstellung durch den rigiden Mandantenfokus

Je eindeutiger eine Kanzlei ihre gesamte Kultur und Kommunikation nach innen sowie ihre Akquise und ihr gesamtes Auftreten nach außen nach Mandantenerwartungen ausrichtet bzw. diese Erwartungen übertrifft, desto erfolgreicher wird sie sein.
Wahrscheinlich ist es auch heute noch erstaunlich einfach, durch den rigiden Mandantenfokus eine gewisse Alleinstellung am Markt zu erreichen: Das jedenfalls suggerieren Ergebnisse einer Wolters-Kluwer-Studie aus dem Jahr 2021:
Weniger als ein Drittel der befragten Kanzleien erfüllten diese fünf vorrangigen Mandantenerwartungen sehr gut:

  • Vertrauen darauf, dass die Kanzlei unsere Anforderungen erfüllt
  • Spezialisierung auf die von uns benötigten Dienstleistungen
  • Technologie-Einsatz, um bestmögliche Leistung für uns zu erbringen
  • Beweis von Effizienz und Produktivität
  • geeignete Tools, durch die Mitarbeiter unsere Aufgaben erledigen

Was bewirkt Kanzleikultur?

Kanzleikultur beeinflusst, wie sich der Besucher beim ersten Besuch fühlt, ob und wie sich die Führungskräfte der Kanzlei gegenseitig vertrauen und wie jeder Kanzleimitarbeiter schon an seinem ersten Arbeitstag in gemeinsame Aufgaben eingebunden wird. Sie kann

  • Arbeitsatmosphäre in der Kanzlei verbessern
  • Teamzusammenhalt schaffen und dann stärken
  • Krankenstand und Fluktuation unnötig machen
  • Mandanten auf bislang unbekannte Weise an die Kanzlei binden.

Negative und positive Kanzleikulturen

Negative Kanzleikulturen sind mit verantwortlich für

  • sinkende Umsätze
  • hohe Fluktuation
  • hohe Krankenstände
  • schlechtes Image in der Bevölkerung
  • fehlende Folgeaufträge und kein Cross-Selling
  • Opferszenarien und Zickenkrieg

Positive Kanzleikulturen sind mit verantwortlich für

  • motivierte Mitarbeiter
  • gutes Arbeitsklima
  • lockeres „cross selling“
  • gezielte Expansion
  • hohe Weiterempfehlungsraten
  • Eigenverantwortung und selbstverständliche Hierarchie

Ein Kultur-Coaching etabliert eine gesunde Unternehmenskultur

Das Verhalten Einzelner im Arbeitsalltag zeigt die Kanzleikultur. Sobald es Störungen im Ablauf oder in den Beziehungen gibt, ist die Kanzleikultur mit verantwortlich.
Gemeinsam mit den Mitarbeitern werden Regeln – und deren Erweiterungen – schriftlich festgehalten und durch Anweisungen, Arbeitsplatzbeschreibung, Feedback und Vorbild in den Alltag aller Mitarbeiter integriert.
Kritik, Lob, Anforderungen und Ideen „von unten“ begleiten diesen Prozess und sorgen für umgehende Nachbesserungen.
Potenziellen Mitarbeitern werden diese Leitlinien schon vor Vertragsschluss vorgelegt.
Sie betreffen den detailreich beschriebenen Umgang aller mit

  • Kohle,
  • Kollegen,
  • Mandanten,
  • Markt.

Buch

Chefsache Anwaltscoaching
Berliner Wissenschafts-Verlag (2022)
E-Book und Hardcover
710 Seiten, 89 Euro
(+ Versandkosten NUR bei Versand ins Ausland: 7,95 Euro)

Kapitelübersicht, Leseprobe und Buchbestellung

Autorin

Johanna Busmann, Hamburg
31 Jahre Anwaltstraining, Strategieberatung und Kanzleicoaching – Details

Presse

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