Eigenschaften eines Konflikts
Im Unterschied zu einem Streit oder einer Meinungsverschiedenheit ist ein Konflikt ein echtes Erfolgshindernis. Er
- ist für Unbeteiligte längst nicht immer hörbar und für Beteiligte längst nicht immer benennbar.
- kommt aus der Vergangenheit und begünstigt auch Auseinandersetzungen in der Gegenwart, etwa einen Streit.
- ist selbstverständlicher als Ebbe und Flut, sobald Menschen oder Werte aufeinander treffen,
- wird erst durch sein Verschweigen, Verdrängen, (un-)bewusstes Aufrechterhalten oder Bewerten gefährlich.
- entsteht nur, wenn beide Konfliktpartner mit einem Konflikt einverstanden sind
- tritt als „offener Konflikt“ in einer hörbaren oder sichtbaren Auseinandersetzung mit anderen Personen auf – oder als „innerer Konflikt“ mit einer fühlbaren Auseinandersetzung zwischen eigenen Werten.
- kann (mit etwas Übung auch durch die Beteiligten selbst) Nähe zu einem Menschen, einer Idee oder einem Wert ausdrücken und beweisen: „Ich bin an Konflikten nur beteiligt, solange mir der Konfliktpartner etwas bedeutet.“
- kann, wenn er immer wieder absichtlich angeheizt wird (Israel und Palästina, Mann und Frau, Strafverteidiger und Gericht), Lösungen vermeiden helfen. Lösungen anstelle von gewohnheitsmäßigen Konflikten sind kurz- und mittelfristig viel anstrengender als das Problem und machen gewaltige Lernprozesse auf allen Seiten notwendig.
- entsteht nicht durch unterschiedliche Interessen Ziele oder Werte von Personen, Gruppen, Organisationen oder Staaten sondern durch deren Aufeinandertreffen in Gesprächen, Verhaltensweisen oder Rollen: „Ohne Berührung wären sie lediglich eine Meinungsverschiedenheit oder ein unterschiedlicher Standpunkt.“
Was sind Konfliktursachen und Konfliktauslöser?
Konfliktursachen liegen in der Vergangenheit und gehen oft tiefer als vermutet. Konfliktauslöser liegen in der Gegenwart und erscheinen Unbeteiligten oft harmloser als Wattebäuschchen.
Konfliktträger können oder wollen Ursachen und Auslöser ihres Konflikts selten selbst analysieren bzw. aussprechen.
Konflikte sind ganzjährig im Fasching
Konflikte verkleiden sich als Streit, Krankheit, Missgunst, Opfer, Atmosphäre, Extremsport, Arroganz, Intrige, Kündigung, Straftat, Gewichtsproblem, Lüge, Misserfolg oder Sozialphobie.
Konfliktauslöser kommen intrapersonell (innerhalb einer Person) und interpersonell (zwischen mehreren Personen) in diesen Kategorien vor:
- Sprache / Nonsprache
- Rollen / Rollenwechsel
- Werte / Wertungen
Konflikte sind negativ konnotiert.
Sie nerven im politischen, beruflichen und privaten Leben, sie halten auf und kosten Energie. Sie indizieren schlechte Führung, unklare Rollen und fehlende Ziele.
Konflikte können bekanntlich über einen „hereinbrechen“, „schwelen“, „ausbrechen“ oder „eskalieren“. Diese Semantik erinnert an Zufälle, Unfälle, Naturkatastrophen und Kämpfe. Auch Synonyme des Begriffs „Konflikt“ sind eher negativ konnotiert:
- Konflikte zwischen zwei Menschen heißen auch Zerwürfnis, Widerstreit, Zank, Disharmonie oder Streit
- Konflikte innerhalb einer Person heißen auch Verlegenheit, Zwangslage, Zwiespalt oder Klemme
- Konflikte innerhalb eines Teams heißen auch Misstrauen, Zickenkrieg, Arbeitsverweigerung oder Machtpoker
Wozu sind Konflikte da?
Alle Konflikte haben eine positive Funktion.
Konflikte sind als Frühwarnsysteme, Projektteam-Retter und Fortbildungsindikator unersetzlich.
Sie indizieren sehr frühzeitig – in der Regel lange vor ihrem offiziellen „Ausbruch“ -, dass ein Vorhaben gefährdet ist, eine Liebesbeziehung wackelt oder mindestens eine Person in einer Rolle überfordert ist.
Bevor ein Konflikt „ausbricht“, können Betroffene selbst schon feststellen: Etwas ist zu viel oder zu wenig, zu stark oder zu schwach, etwas kollidiert oder geht sich aus dem Weg.
Sie selbst können dann sofort Maßnahmen einleiten (lassen), um das kleinste Konfliktsignal positiv und umgehend zu nutzen.
Positive Semantik des Wortes Konflikt
Das Wort „Konflikt“ geht gern eine Koexistenz mit dem Wort „Potenzial“ ein, das der Duden mit „Möglichkeit“ übersetzt. Konfliktpotenzial bezeichnet also die „Möglichkeit eines Konflikts“ – und damit auch die „Chance“ auf einen Konflikt:
- Anwälte lieben Konfliktpotenziale, die außerhalb der eigenen Kanzlei und des eigenen Gehirns angesiedelt sind, denn diese bringen ihnen die Mandate.
- Genauso positiv ist auch der Ideenkonflikt, denn wo ein solcher auftaucht, gibt es glücklicherweise mehr als eine Idee.
- Auch der Inhaber eines Gewissenskonflikts darf nicht meckern: Er hat nachweislich ein Gewissen und sehr wahrscheinlich auch die Fähigkeit, zwischen mindestens zwei Denkweisen zu unterscheiden und dadurch seine persönliche Kongruenz zu wahren.
- Im Anwaltsbereich ist „Konflikt“ außerdem ein cooles Synonym für eine Interessenskollision (engl. „conflict“), die beweist, dass (ehemalige) Gegner der Kanzlei nun ihre Mandanten wenden wollen.
Konflikte setzen Energie frei
Spätestens im Moment ihres offiziellen Ausbruchs erinnern Konflikte – für den analytischen Beobachter durchaus angenehm – an den teuflischen Mephisto, der sich einst als harmlosen Pudel verkleidete, um „stets das Gute“ zu schaffen. Konflikte inszenieren sich gern positiv als
- Gewitter: Sie können als plötzlich ausbrechender Streit wie ein reinigendes Gewitter auftreten und bleiben dabei im Hintergrund, ohne sich selbst zu enttarnen. Streits ohne tief liegende Konflikte darunter sind durch oberflächliche Verhandlung auf der Sachebene lösbar.
- Krankheit: Sie können alle Beteiligten jahrelang schwächen, ohne jemals auszubrechen und ohne diagnostisch benennbar zu sein. Positive Intention: Wahre Stärke der einzelnen Akteure sollte lieber unter der Decke bleiben, denn: „Das Leben ist ein ruhiger, langer Fluss“.
- Ritual: Sie „kitten“ Systeme durch wiederkehrende Rituale. Was tun mit der ganzen gewonnenen Zeit und Energie, wenn der wöchentliche Ehe-Streit um das „Müll runterbringen“ nicht mehr da wäre? Konflikte beleben Systeme (Ehe, Kanzlei, Kindererziehung) und intensivieren Beziehungen, die ohne Konflikte (vulgo: „Ohne Ablenkung“) zugrunde gehen würden. Schwere Konflikte als Team gemeinsam „durchzustehen“, stärkt den Zusammenhalt.
- Qualitätsmerkmal einer Beziehung: Aus Meinungsverschiedenheiten („Zieh ich ein rotes oder blaues Kleid an?“) entwickeln sich Konflikte nur dann, wenn diese die Beziehungsebene betreffen. Je tiefer ein Konflikt geht, desto tiefer ist die Beziehung. Tiefgehende Konflikte werden nicht in flachen Freundschaften ausgetragen.
- Fortbildungsindikator: Alle Konflikte im Team indizieren den Fortbildungsbedarf der Führungskraft. Führungskräfte der Kanzlei haben Führung nicht gelernt. Dadurch besetzen sie ihre Führungsrollen nicht kongruent, was Konflikte mit den Mitarbeitern hervorruft. Diese Konflikte sind entweder passiv (Krankenstand und Fluktuation) oder aktiv (Rückdelegation, Einwände, Zickenkrieg) in Szene gesetzt.
- Katalysator: Konflikte dienen allen Kommunikationsstrategen – bewusst der unbewusst, privat oder geschäftlich – als Katalysator für Durchsetzung und Positionsbestimmung. Als bewusste Taktik gewiefter Strafverteidiger ermöglichen sie Nebelkerzenstrategien; sie verwirren, nerven und beeinflussen Gericht, Gegner, Zeugen, Nebenklage, Presse und Staatsanwaltschaft. Sie helfen auch bei der Ausnutzung prozessualer Mittel der Strafprozessordnung gegen Interessen des „kurzen Prozesses“.
Konflikt-Prophylaxe durch einen Business-Coach
Ein Coach wird gewöhnlich erst gerufen, nachdem ein Konflikt ausgebrochen ist. Das ist viel zu spät, denn auch der beste Coach kann das Konfliktrad nicht zurückdrehen.
Eine rechtzeitige Konfliktprophylaxe dagegen entzieht Konflikten den Nährboden z.B. durch
- Rollenklärung
- Werte- und Erwartungsermittlung
- Nutzenabfrage (Welchen Vorteil haben Sie durch diesen Konflikt?“)
- Feedback
- Zuständigkeits-Checks
- Zieldefinitionen
- Provokationen („Was könnten Sie unternehmen, um diesen Konflikt komplett eskalieren zu lassen?“
- Perspektivwechsel
- Vernissagen
- Zeitzonenreframing
- Zukunftsfragen
Ein gut ausgebildeter Coach kann vorbereitende Sitzungen moderieren, Einzelgespräche führen sowie Strategiewechsel, Einrichtung einer Kanzleikultur oder eines Akquiseprojekts begleiten.
Alle Konflikte im Verantwortungsbereich einer Führungskraft verantwortet diese Führungskraft.
Angst und Abwehr kennzeichnen die Reaktionen so mancher anwaltlichen Führungskraft, wenn in den Teams – besonders unter den Nichtjuristen – etwas schief läuft: „Zickenkrieg im Büro? Das sollen die Damen mal schön unter sich ausmachen. Da halte ich mich raus.“
Wenn eine Führungskraft in ihrem Territorium einen Konflikt ungebremst ausbrechen lässt, ist sie in dieser Rolle ungeeignet.
Wenn sie untrainiert, eitel oder ängstlich ist, wird sie sogar die Verantwortung für den Konflikt von sich weisen, denn sie selbst „hat ja nichts gemacht“.
Und damit hat sie leider Recht; sie hat wirklich „nichts gemacht“: Sie reagiert durch Nichteingreifen und ruft dadurch scharfe Konflikte hervor.
Durch Nicht-Sehen, Nicht-Eingreifen und durch das Nicht-Nutzen dieses Konflikts für später zerstört diese Führungskraft Porzellan für immer.
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