Delegationsfehler in der Anwaltskanzlei
Delegation ist die zentrale Fähigkeit einer Führungskraft, sein Team in Szene zu setzen. Je unklarer die Delegation dem Mitarbeiter ist, desto eher gehen Zeit und Effizienz verloren.
Delegation ist die zentrale Fähigkeit einer Führungskraft, sein Team in Szene zu setzen. Je unklarer die Delegation dem Mitarbeiter ist, desto eher gehen Zeit und Effizienz verloren.
Selbst Einzelanwälte ohne eigenes Personal delegieren geschickt den Telefonservice in allen Details, z.B. an das Starbüro ; der Fehler hat also mit der Kanzleigröße nichts zu tun. Er kann aus Selbstverliebtheit, Angst vor Imageverlust, Rollen-Unsicherheit oder heimlichen Vorbehalten gegen die Qualität Ihrer Mitarbeiter passieren. Egal aus welchem Grund Sie gar nicht oder zu wenig delegieren: Es schadet Ihren Mitarbeitern, Ihnen persönlich und Ihrem Geschäftskonto.
Typisch für ungeübte Führungskräfte: Sie rennen hinter dem Ergebnis ihrer Delegation her und erkundigen sich beim Mitarbeiter: „Wie weit sind Sie in der Sache X?“ Das ist unnötig und macht die Führungskraft unglaubwürdig. Stattdessen zu Beginn eine Bringeschuld einrichten: „Das (Zwischen-) Ergebnis hätte ich gern um Freitag um 11 Uhr hier in meinem Büro. Klappt das?“
Egal, was der Grund ist: Wenn ein Vorgesetzter sein delegiertes Material nicht kontrolliert, bevor es die Kanzlei verlässt, riskiert er Zeitverluste, Image-Torpedos oder sogar eine haftungsrechtliche Bedrohung.
Wenn der Mitarbeiter neu ist, kündigen Sie an, dass Sie sein Ergebnis überprüfen, so dass er keine schlimmen Fehler befürchten muss.
Tipp: Loben Sie ihn auch, wenn er einen Fehler gemacht hat, und kritisieren Sie diesen Fehler mit konkreter Lösung, damit er den Fehler nicht wiederholt. Sagen Sie ihm, dass Sie das von ihm erwarten.
Delegierende mit eigenen – bewussten oder unbewussten – Vorbehalten gegen Mitarbeiter („Pygmalion-Effekt“ s.o.), mit Glaubenssätzen über die eigene Unersetzbarkeit („Wenn man nicht alles selbst macht“) und mit strukturellen Unsicherheiten in der Führungsrolle lassen Delegationen scheitern.
Kriegen Sie Ihr Selbstmanagement in den Griff, falls Sie zu den Betroffenen gehören – und falls Sie Kündigungen oder hohen Krankenstand in Ihrer Kanzlei verhindern möchten.
Hilfe holen: Ja. Weitergeben: Nein. Das muss der Mitarbeiter über die Aufgabe wissen.
Wenn der Mitarbeiter überfordert ist, muss er zunächst einen Kollegen um Hilfe bitten. Vermeiden Sie Rückdelegation.
Wenn der Mitarbeiter durch den Versuch der Rückdelegation erreichen will, dass sein Vorgesetzter selber die Aufgabe – oder einen Teil von ihr – löst, muss der Vorgesetzte standhaft bleiben.
Eine Führungskraft, die auf Bitte des Mitarbeiters selber eine bereits delegierte Aufgabe löst und damit Rückdelegation erlaubt, erweist sich und dem Mitarbeiter einen Bärendienst : Beide entwickeln sich nicht innerhalb ihrer Rollen; denkfaule Mitarbeiter stärken sogar ihr System!
Lernen Sie die ABC-Analyse . Listen Sie zu Übungszwecken alle B-Aufgaben eines Vormittags und delegieren Sie mindestens 50 % davon sofort an Mitarbeiter.
A-Aufgaben (Führung, Fristsachen und Akquise) werden nicht delegiert.
Wer Delegation generell fürchtet, hat allen Grund dazu, denn: Unbegründete Ängste gibt es nicht. Wer den individuellen Grund für diese Furcht erkennt, kann sie besiegen.
Ihre eigenen Mitarbeiter erledigen die Aufgabe besser als Sie selbst? Glückwunsch zu Ihrem tollen Team! Sie kommen sich nutzlos vor, wenn Ihre Assistentin Ihren Terminkalender führt? Glückwunsch zu Ihrer Weitsicht, dass Sie nicht acht Jahre studiert haben, um einen Terminkalender zu führen.
Wenn Sie bei der Delegation alle Arbeitsschritte Ihrer Mitarbeiter detailreich beschreiben, machen Sie nicht nur sich, sondern leider auch Ihren Mitarbeiter lächerlich: Sie zeigen, dass Sie Angst haben loszulassen – und dass Sie ihm keine eigenen Wege zutrauen.
Tipp: Mikromanagement ersetzen. Dach definieren und anschließend Freiräume geben, die die Mitarbeiter allein einräumen.
Introvertierte werden Telefonakquise ablehnen. Fachlich nicht Qualifizierte können nur Fehler machen – und dadurch die anderen nerven. Extravertierte möchten nicht Korrekturlesen. Ermitteln Sie Stärken und Schwächen des Mitarbeiters beim MMM.
Grundregel: Nicht überfordern, schon gar nicht unterfordern, sondern beständig etwas mehr fordern, als der Mitarbeiter sich zutraut.
Was sich Ihr Mitarbeiter nicht zutraut, sollte er nur nach Absprache machen müssen. Fragen Sie ihn, was ihn hindert. Wenn es Zeit- oder Kompetenzfragen sind, besprechen Sie Lösungen. Drängen Sie ihn nicht. Fragen Sie ihn, wodurch er es sich zutrauen würde.
Das konkrete Wunschergebnis muss feststehen im Moment der Delegation, und der Mitarbeiter muss verstehen, zu welchem Zweck er die Aufgabe erledigen soll. Der Auftrag heißt nicht „Erarbeiten Sie ein rechtliches Konzept für die WEG Versammlung von Mandant W.“, sondern sie lautet: „Mailen Sie mir bis Donnerstag, 17 Uhr in 10 Hauptsätzen ohne Nebensätze die wichtigsten rechtlichen Informationen für die WEG-Versammlung des Mandanten W. Die Wohnungseigentümer sind alle keine Juristen und müssen verstehen, was Sie da schreiben.“ Der Schlusspunkt muss konkret feststehen („So schnell wie möglich“ ist kein Zeitpunkt).
Tipp: Verbesserungsvorschläge und Einwände des Mitarbeiters bringen oft gute Ideen hervor.
Kommt oft vor, ist nicht immer vermeidbar, muss eine Ausnahme bleiben und ist besser als gar nichts zu delegieren auf den letzten Drücker. Entschuldigen Sie sich beim Mitarbeiter, denn er wird in seinem Ablauf gestört sein. Ermitteln Sie, wie es zum Zeitdruck kam (liegt hoffentlich an Ihnen selbst ) und wie Sie das künftig vermeiden. Holen Sie dazu Vorschläge Ihrer Umgebung ein.
Aufgaben, die Sie abgeben, sind Sie für immer los. Die Verantwortung, dass sie erledigt werden, geht vollständig über auf den Mitarbeiter. Die Verantwortung für das, was die Kanzlei verlässt, behalten allerding immer Sie. Um Rückdelegation (s.o.) zu vermeiden, muss er dafür kompetent sein und gewisse Entscheidungs-Spielräume sowie die passenden Hilfsmittel zur Verfügung haben.
Chefsache Anwaltscoaching
Berliner Wissenschafts-Verlag (2022)
E-Book und Hardcover
710 Seiten, 89 Euro
(+ Versandkosten NUR bei Versand ins Ausland: 7,95 Euro)
Johanna Busmann, Hamburg
31 Jahre Anwaltstraining, Strategieberatung und Kanzleicoaching – Details
Bitte wählen Sie zunächst Ihre Kategorie: