Herkömmliches Zeitmanagement ist in Anwaltskanzleien ineffizient – Fünf Gründe:
1. Herkömmliches Zeitmanagement verschleiert den Urheber von Zeitnot
Herkömmliches Zeitmanagement behauptet, „Zeit“ sei das Problem, das man „managen“, einteilen, einsparen, neu ordnen, freihalten oder umorganisieren müsse, und zwar genau 1440 Minuten lang pro Tag.
Seit es Zeitmanagement als Lerndisziplin gibt, gibt es auch „Zeitpuffer“, „Zeitdiebe“ und „Zeitplanbücher“, die den Eindruck erwecken, Zeit sei ein wildes Tier, das man auf jeden Fall zu bändigen hätte. Anwälte haben spätestens dadurch die nicht besonders hilfreiche Vorstellung, ein anderer als sie selbst verursache ihre Zeitnot, und dieser andere sei ihr „Gegner“.
Um das wilde Tier zu bändigen, legen sie Fallen aus, schlagen sich Nächte um die Ohren und rennen mit richtig schwerem Marschgepäck von einem verlorenen Kampf zum nächsten.
2. Herkömmliches Zeitmanagement beginnt erst, wenn das Mandat schon in der Kanzlei ist.
Das ist viel zu spät. Strategisches Zeitmanagement dagegen untersucht, ob die Mandatsanfrage zum Kanzleiziel passt und demnach auch, ob der (neue) Mandant z.B. einen zum Kanzleiziel passenden Weiterempfehlungsradius hat, zum angebotenen Rechtsgebiet passt oder ein zur Strategie passendes, neues Feld eröffnet.
Nur dann wird die Zugangsbeschränkung aufgehoben, denn nur dann bringt die investierte Zeit das erwünschte Ergebnis.
3. Herkömmliches Zeitmanagement verbindet Aufgabe, Zeit und Tempo
Zeitmanagement misslang stets besonders deutlich unter der Flagge „Beschleunigung“. Dieses Wort suggeriert, man könne das eigene Erledigungstempo „nach oben korrigieren“, indem man eigene Aufgaben in Verbindung zu einer zeitlichen Investition festlege.
Diese Legendenbildung ging gründlich schief: Denn je mehr Aufgaben „geplant“ wurden, desto stärker fühlten sich die Planer überrumpelt von „überraschenden“ und nicht geplanten Anforderungen im Arbeitsalltag.
Diese wurden fortan „Störer“ oder „Zeitdiebe“ genannt, um klar zu machen, wer in diesem Spiel der (natürlich externe) Spielverderber ist.
4. Herkömmliches Zeitmanagement vermeidet Langsamkeit
Zeitmanagement unter der Flagge „Langsamkeit“ dagegen war bislang das Privileg der Pausierenden. „Hä? Wieso eigentlich?“ fragten externe Bewunderer der vollständigen Gelassenheit aller Gehirne im Pausenmodus und hörten anwaltliche Erläuterungen: „Fristen sind doch auch nicht langsam“ oder „Der Mandant will’s ja schnell“.
Schon klar: langsam ist sicher nicht generell besser als schnell, aber eben auch nicht generell schlechter.
Immerhin kommt laut Sprichwortkiste derjenige sogar schneller an, der langsamer geht; das gilt sogar iin der Freizeit:
Ein effizienter Gegenentwurf zum grund-gruseligen „Power-Chillen“ unserer Zeit wäre dringend notwendig. Auch nach einmaligem „Um-Die-Ecke-Denken“ in Kanzleien könnte längst aufgefallen sein: „Ein langsamer Teamarbeiter sorgt für Stabilität und Genauigkeit, wenn ihm die richtigen Aufgaben zugeteilt werden“.
Wartezeiten, Wiederholungen und Rücksicht auf das individuelle Tempo der Mitarbeiter können deutlich produktiver sein als jede vordergründige Tempoverschärfung.
5. Herkömmliches Zeitmanagement ist eine rein visuelle Methode
Visuell wahrnehmende Menschen sind die einzigen, die überhaupt Tabellen, Gebrauchsanleitungen, Beipackzettel, Formulare und anwaltliche Schriftsätze aushalten – und manchmal sogar durchlesen -, ohne sofort Erwachsenen-Akne zu kriegen.
Auditive Rezipienten nehmen dagegen ihre Umgebung durch Hören und Kinästheten durch Fühlen (innen) oder Tasten (außen) wahr.
Diese beiden Wahrnehmungstypen sind automatisch überfordert mit Tabellen, vielen zeitgleich auftauchenden Farben, herkömmlichen Kalendern, eng geschriebenen Texten und Uhren, die mehr als die Uhrzeit anzeigen.
Beide haben wenig Erfahrung darin, Comics lustig zu finden oder während eines eigenen Vortrags auf die Uhr zu „schauen“ (Beide Typen überziehen ihre Präsentationszeiten schlimmer als früher Thomas Gottschalk seine Sendungen), und beide haben – noch – kein Zeitmanagement-System zugeschnitten auf ihre Wahrnehmungspräferenz.