1. Bequem und extern geahndet: Der Rechtsfehler
Anwälte können sich unter einem „Fehler“ zunächst nur einen Rechtsfehler vorstellen. Der wird vollautomatisch durch eine Revision, ein mieses Urteil oder den Einsatz der Berufshaftpflichtversicherung (oder alles drei zusammen) geahndet.
Das tangiert zwar empfindlich den PPP (PersönlicherPeinlichkeitsPegel) und kann übel an die Öffentlichkeit gelangen; allerdings können aufgebrachte Mandanten manchmal ruhig gestellt werden durch die Externalisierung der Verantwortung; ihre Anwälte argumentieren in bedrohter Lage gern mit „der Rechtslage“, „dem unfähigen Gericht“ oder den „unsinnigen EU-Verordnungen“.
- Vergleichsweise angenehm für den Fehlerverursacher: Institutionen außerhalb der Kanzlei regeln es.
2. Unbequem und intern geahndet: Der Organisationsfehler
Kanzleiorganisation ist reine Glückssache, wenn Führungskräfte sich z.B. weigern, immer gleiche Abläufe für alle Dezernate festzulegen und durchzusetzen.
Beispiel 1: Das „Vier-Augen-Prinzip“ rettet die Kanzlei gewöhnlich vor Schadenersatzansprüchen. Wenn der angestellte Anwalt ungebremst eine Anlage an den falschen Mandanten sendet, verstößt nicht er gegen seine Schweigepflicht, sondern sein Vorgesetzter.
Beispiel 2: Wenn die Assistentin ein Fristversäumnis in die Wege leitet, indem sie die Frist nicht im Fristenkalender notiert, hat sie gegen eine (hoffentlich schriftlich fixierte) Anweisung verstoßen. Ihr Vorgesetzter ist allein verantwortlich. Ihm stehen nun nach außen das „Überbringen einer negativen Nachricht“ sowie nach innen ein Kritikgespräch bevor. Beides gilt Anwälten als schwierig.
Beispiel 3: Der Anwalt verstößt gegen seine Aufklärungspflichten nach BGB. Er müsste „mit Fingerspitzengefühl wenigstens auf die wichtigsten Risiken schriftlich hinweisen, ohne den Mandanten dadurch zu verärgern“. Die BRAO-Reform von August 2022 verschärft Sanktionen bei Verstößen – jedenfalls bei deutschen Kanzleien.
3. Peinlich und kaum vermittelbar: der IT – Fehler
Wo die IT-Nutzung punktuell fehlt, nicht technisch vereinheitlicht bzw. inhaltlich synchronisiert ist oder – besonders in Notfällen – nicht von allen sicher bedient wird, ist nicht nur Holland in Not.
Cloudbasierte Lösungen verlagern das Problem des vollständigen Datenverlustes zwar inzwischen in den Bereich einer Mikrochance; dennoch suchen Mitarbeiter das genau passende Schriftstück nun auch in den elektronischen Akten.
Bedienerfreundliche IT-Systeme und deren effiziente Nutzung (perfektes Dokumentenmanagement, elektronisches Fristenmanagement etc.) fehlen ebenso oft wie wirksame Schulungen zum immer noch tückischen beA.
- Vermögensschäden durch IT-Fehler toppen jedoch alles.
4. Problematisch und riskant: Der Führungsfehler
Anwälte sind nicht zu Führungskräften ausgebildet worden. Folglich führen sie weder effektiv noch effizient.
Im Gegenteil: Sie lösen Fehler ihrer Mitarbeiter aus durch zu wenige und zu unklare Anweisungen, zu wenig oder ungeeignete Delegation, undefinierte Hol- oder Bringschuld (z.B. bei der Delegation), zu wenig Fortbildungen (auch in IT), fehlende technische Investition in eine bedienerfreundliche und sehr gut gewartete Kanzeisoftware (incl. bestens gepflegter Kundenkartei), zu viel oder zu wenig Kontrolle, zu hohe oder zu niedrige Anforderungen, Übernahme von Organisationsaufgaben, unklare Zuständigkeiten bei Kranken- und Urlaubsvertretung, widersprüchliche Arbeitsaufträge mehrerer Vorgesetzter, ferner durch unklare Aufgabenverteilung, unfairen Umgang mit Leistung und klägliche Fehlerdokumentation (dadurch Wiederholungsfehler und massiver Zeitverlust).
5. Selbstverliebt und folgenreich: Der Kommunikationsfehler
Wieder hat Natalie „aus Gründen“ das Telefon der Empfangsmitarbeiterin Nicole nicht angenommen, als Letztere den Konferenzraum einräumte. Der Erstanrufer wendet sich nach endlosen 55 Sekunden Wartezeit an eine andere Kanzlei.
Was immer die unmittelbar Beteiligten im Kritikgespräch als Grund anführen würden (falls dieser Fehler überhaupt bemerkt oder gemeldet wird), eins ist sofort sicher:
Unsolidarisches Arbeitsverhalten im Büro ist stets eine Folge unzureichender Kommunikation des Vorgesetzten: „Das sollen die Mädels mal schön unter sich ausmachen,“ sagt der prompt.
Er verweigert nicht zum ersten Mal die A-Aufgabe „Führung“ und wendet sich wieder einer B-Aufgabe (hier: nicht fristgebundene Akte) zu.
Dieser untrainierte Vorgesetzte glaubt möglicherweise wirklich, dass „Zickenkrieg“ (so nennt er das) im Büro auf eine individuelle Entscheidung der direkt beteiligten Player zurück geht.
Er irrt: Er erlaubt Zickenkrieg höchstpersönlich, indem er detailreiche Arbeitsanweisungen und deren Kontrolle umgeht.
- Gefährdet sind dadurch die Gesundheit besonders engagierter Mitarbeiter, die Reputation der Kanzlei und schließlich die Arbeitsplätze aller.
6. Beliebt als Vorwand und gefürchtet als Fakt: Strukturelle Fehler
„Personalmangel“ liefert frei Haus die externe Begründung („Der Markt ist leergefegt“) für interne Schwächen der Kanzlei. Dieses Verantwortungshopping ist extrem beliebt, denn es lässt fast vergessen:
Die Mitarbeiter forderten verzweifelt mehr Kollegen, nachdem ihre Vorschläge zur internen Effizienzsteigerung nicht angefordert, angehört oder befolgt wurden. Die Mitarbeiter kriegen am Ende des Tages beides nicht – und stimmen demnächst lächelnd mit den Füßen ab; da jubelt laut der Mitbewerb.
Wenn mehr Arbeit auf dieselbe Anzahl von Mitarbeitern verteilt werden muss und die bisherigen Organisationsstrukturen nicht verändert werden, ist das ein struktureller Fehler der Entscheider. Gerade in kritischen Bereichen (z.B. Fristenkontrolle, Postausgang) führt eine höhere Arbeitsbelastung dann zu Fehlern.
- Wer aus schier „quantitativer Not“ unzureichend qualifiziertes Personal einstellt und dieses dann ohne engmaschige Begleitung und sofortige Fortbildung „allein lässt“, begeht einen weiteren strukturellen Fehler, wieder zu Lasten erfahrener Mitarbeiter.
7. Prekär und egozentrisch: Persönliche Fehler
Persönliche Schwächen eines Mitarbeiters, sofern diese negativ folgenreich sind, erfordern ein Vier-Augen-Gespräch mit dem Vorgesetzten.
Klassische Themen sind hier die Furcht vor Eigenständigkeit und weitere Angstinszenierungen wie Gleichgültigkeit, Rechthaberei oder Aggression, ebenso wie extreme Schüchternheit oder der overconfidence-Effekt.
Persönliche Schwächen eines Vorgesetzten erfordern zunächst seine Einsicht, dann den unbedingten Willen zur Behebung, dann ggfs. ein Gespräch mit einem Business-Coach und schließlich eine furchtlose Umsetzung beschlossener Vorgehensweisen.
- Wer – in allen Hierarchieebenen – glaubt, er mache keine Fehler, neigt zur Selbstüberschätzung, die ihrerseits bereits eine Fehlergarantie ist.
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